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Gesundheit | 18.05.2003
Wunschkinder nur für Besserverdienende?
Von Ulrike von Leszczynski, dpa
Berlin - Auf den Kinderwunsch-Seiten im Internet sind Klapperstörche zu sehen oder pausbäckige Babys mit Kulleraugen.
Berlin - Auf den Kinderwunsch-Seiten im Internet sind Klapperstörche zu sehen oder pausbäckige Babys mit Kulleraugen. Eine heile Welt für Paare, die sich schon sehr lange ein Kind wünschen und ihre ganze Hoffnung auf die künstliche Befruchtung setzen. Doch dieser Traum könnte bald ein jähes Ende finden.
Die Bundesregierung plant, die künstliche Befruchtung aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen zu streichen - Sparpotenzial bis zu 200 Millionen Euro. Protest gegen diese Pläne regt sich nun unter dem Schlagwort: Wunschkinder nur noch für Besserverdienende.
Familien-Vereine wie die Deutsche Kinderhilfe Direkt laufen Sturm gegen die Reformpläne. "Das ist ein unglaublicher Vorgang. Wer kann sich schon mehrmals Behandlungskosten von 2500 Euro leisten?", kritisiert der Vereinsvorsitzende Georg Ehrmann. "Statt es zum wichtigsten Ziel der Politik zu erheben, die Gründung von Familien zu fördern, wird hier die dringende Hilfe der Solidargemeinschaft versagt."
Doch an den Aufgaben der Solidargemeinschaft scheiden sich die Geister. "Kinderlosigkeit ist keine Krankheit", argumentiert Roland Stahl, Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). "Es ist gut und richtig, wenn die gesetzlichen Kassen das nicht mehr bezahlen müssen. Vielleicht ist es ja künftig ein Geschäftsfeld für die Private Krankenversicherung oder Zusatzpolicen."
Ganz so entschieden will es Doris Pfeiffer vom Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK) nicht formulieren. "Es geht hier nicht um die Ausgrenzung von Eltern mit Kinderwunsch, sondern um eine Umfinanzierung", sagt sie. "Künstliche Befruchtung ist eine familienpolitische Leistung, die vom Steuerzahler getragen werden sollte." Der Schwarze Peter würde damit von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt zu Finanzminister Hans Eichel (beide SPD) wandern.
Laut AOK gaben die gesetzlichen Krankenkassen 142,5 Millionen Euro (2001) für künstliche Befruchtungen aus - davon allein 75 Millionen Euro für Hormon-Medikamente. Rund 48 700 Befruchtungen im Reagenzglas schlugen mit rund 60 Millionen Euro zu Buche. "Das ist kein Volumen, das sich auf Beitragssätze auswirkt", gibt KBV-Sprecher Stahl zu. "Aber es ist eben eine versicherungsfremde Leistung."
Das sieht Klaus Diedrich, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie, anders. "Die Weltgesundheitsorganisation definiert ungewollte Kinderlosigkeit als Krankheit", argumentiert der Lübecker Professor. "Mir ist klar, dass man irgendwo den Rotstift ansetzen muss. Es ist nur die Frage, ob das bei Paaren mit Kinderwunsch so sinnvoll ist, wenn es gleichzeitig darum geht, die Renten zu sichern."
Für Diedrich hat der Konflikt eine gesellschaftspolitische Dimension. Rund 1,5 Millionen Paare sind ungewollt kinderlos. Rund 9000 Kinder kommen in der Bundesrepublik jedes Jahr durch künstliche Befruchtung zur Welt. "Das alles kostet pro Jahr rund 280 Millionen Euro", errechnet der Arzt, "eindeutig weniger als ein Starfighter."
"Eine Umsetzung der Regierungspläne wäre sicher ein harter Schlag für die Patienten", sagt auch Hans van der Ven, Professor am Zentrum für Geburtshilfe der Universitätsklinik Bonn. "Der psychologische Leidensdruck vieler Paare ist schon hoch, dann kämen noch finanzielle Sorgen dazu." Dennoch ist van der Ven kein absoluter Verfechter des Kassenmodells. "Ich fände es einen fairen Kompromiss, wenn sich die Kassen, der Staat und die Patienten die Kosten teilen würden. So ein Beteiligungsmodell gibt es in Österreich."
http://archiv.mopo.de/archiv/2003/20030 ... 29417.html
ps:hatte die ja angeschrieben zu den artikel" Raucher zahlen Reform "
habe aber leider keine antwort bekommen
Künstliche Befruchtung nicht nur für Reiche
Die Bischöfin der nordelbischen Landeskirche, Maria Jepsen, hat sich in der Bild am Sonntag kritisch zu den geplanten Gesundheitsreformen geäußert: Ab Januar 2004 soll unter anderem die künstliche Befruchtung nicht mehr von gesetzlichen Krankenkassen gezahlt werden.
Für viele stellt ungewollte Kinderlosigkeit eine große psychische Belastung dar. Es wäre unverantwortlich, nicht zu helfen. Finanziell muss man das auch weiterhin bei denen tun, die zu wenig haben, so Jepsen.
Laut Leistungskatalog müssen Versicherte neben der künstlichen Befruchtung auch eine Sterilisation künftig selbst zahlen. Dies spare insgesamt etwa 600 Millionen Euro. Eine künstliche Befruchtung kostet je nach Verfahren und Aufwand zwischen 1.000 und 4.000 Euro. Sterilisationen kosten zwischen 350 und 500 Euro.
Quelle:
ddp/gla, 11.05.03
Bild am Sonntag, 11.05.03